Vergangener Luxus unter Palmen
Die SS President Coolidge und der Million Dollar Point
Das Inselparadies Vanuatu bietet nebst Kava und Kokospalmen auch eines der besten Schiffswracks weltweit. Tauchen Sie unter in einstigem Luxus, dem Irrsinn des Zweiten Weltkrieges und lassen Sie sich infizieren – von der Sucht nach mehr, Meer und immer tiefer ...
SS President Coolidge
Im Jahr 1931 wurde die SS President Coolidge als Luxusliner der Dollar Steamship Line vom Stapel gelassen. Die Taufe fand nur mit einer Flasche Wasser statt, denn die USA befanden sich damals gerade in der Prohibitionszeit. Sie war das damals grösste in den USA gebaute Schiff und eines der schnellsten ihrer Zeit. Vom Heimathafen San Francisco aus wurden Kreuzfahrten im Pazifikraum unternommen.
Länge | 199.4 m |
Breite | 24.7 m |
Tiefgang | 10.4 m |
Ladekapazität | 22'000 BRT |
Passagiere | max. 990 |
Besatzung | 324 |
Antrieb | 2 x turboelektrisch, 13'250 PS |
Reisegeschwindigkeit | 20 Knoten |
Reichweite | 14'500 nautische Meilen |
Aufgrund der Rezession und hoher Verschuldung ging die Dollar Steamship Line nur sieben Jahre später in den Besitz der US-Regierung über und wurde in American President Lines umbenannt.
Mit dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 war das Schicksal der SS President Coolidge besiegelt: Sie wurde in den Dienst der Navy gestellt und innerhalb von sechs Wochen umgebaut: Am Bug wurde sie mit zwei 3"-Kanonen, am Heck mit einer 5"- und zwei 3"-Kanonen und auf dem Oberdeck mit zwölf 20-mm-Oerlikon- Kanonen zur Flugabwehr bewaffnet. Die ganze Aussenhülle wurde im Standard-Navygrau bemalt. Zahlreiche Inneneinrichtungen wurden entfernt oder abgedeckt und zusätzliche sanitäre Anlagen installiert, sodass das Schiff als Truppentransporter 5000 Soldaten statt der 990 Passagiere transportieren konnte.
Die letzte Fahrt
Am 6. Oktober 1942 stach die SS President Coolidge unter dem Kommando von Kapitän Henry Nelson zu ihrer vierten Kriegsmission in See. Das Ziel: die Neuen Hebriden (heute Vanuatu), um die Schlacht in den Solomon-Inseln zu unterstützen.An Bord befanden sich über 5000 Soldaten, 340 Mann Schiffsbesatzung und 10 000 Tonnen Kriegsmaterial, bestehend aus Lastwagen, Jeeps, Flugzeugtanks, Artillerie-Kanonen, Munition u.v.m. Darunter befanden sich auch 256 kg Chinin, der gesamte Vorrat für den Pazifik, da damals viele Soldaten nicht im Gefecht, sondern an Malaria starben.
Am 26. Oktober 1942 hatte Kapitän Henry Nelson nach einem Zickzack-Kurs über den Pazifik den vereinbarten Zielpunkt östlich der Insel Tutuba angesteuert. Da er nur unvollständige Kursangaben erhalten hatte, erbat er von einem Zerstörer in der Nähe weitere Anweisungen, die er jedoch nicht erhielt. Unwissend über die Verminung und Angriffe von japanischen U-Booten fürchtend, entschied er sich für den direktesten Weg nach Luganville: nördlich an der Insel Tutuba vorbei.
Wenige Momente später wurde die SS President Coolidge von der Basisstation per Morsecode angefunkt: «STOP». Der Befehl wurde sofort an den Maschinenraum weitertelegrafiert, bis der Rest der Morsecode-Nachricht übermittelt war: «YOU ARE STANDING INTO MINES». Das Schiff fuhr mit 17.5 Knoten und der Bremsweg war zu lang. Zwei Minuten später um 09:35, wurde der Rumpf von einer Mine getroffen, dreissig Sekunden später, von einer zweiten.
Kapitän Nelson entschied, dass der Schaden an der SS President Coolidge hoffnungslos war. Deshalb steuerte er sie aufs Riff und liess die Anker werfen, um die Menschen retten und später die Ladung bergen zu können. Alle Mann kletterten über Seile, Netze und die Ankerkette und schwammen oder wateten ans Ufer. Das Schiff neigte sich währenddessen immer stärker zur Backbordseite, bis es etwa neunzig Minuten später vollends den Abhang hinab rutschte und in den Fluten des Segond Channels verschwand, wo es bis jetzt liegt.
Bei der Explosion der Mine kam ein Heizer ums Leben. Ein Army-Offizier starb an Erschöpfung, nachdem er Hunderten von Menschen das Leben gerettet hatte und als Letzter aus dem Schiffsrumpf gezogen werden sollte. Er ging mit dem Schiff unter.
Tauchen im Wrack
Das Wrack kann bequem vom Strand aus erreicht werden und liegt auf einer Tiefe von 20 bis 70 m. Weniger erfahrene Taucher können den Bugbereich, die vorderen Kanonen und Frachträume bis 30 m erkunden, Fortgeschrittene dürfen sich bis zur Lady auf 38 m und dem Maschinenraum auf 47 m vorwagen, während erfahrenen Trimix-Tauchern die Heckpartie bis 70 m vorbehalten bleibt. Die Grösse des Wracks ist immens und man sollte mindestens 10 Tauchgänge einplanen, um es sich gründlich anzusehen. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken und wird nie langweilig.
Die meisten interessanten Stellen sind von aussen direkt erreichbar, sodass der Blickkontakt zum Blau selten verloren geht. Die Guides vor Ort haben oft mehrere tausend Tauchgänge im Wrack hinter sich und kennen es in- und auswendig. Die Verlockung ist gross, tiefer zu gehen, als man für gewöhnlich taucht. Es ist daher ratsam, sich vor jedem Tauchgang seine persönliche Limite zu setzen und sich nicht von anderen überreden zu lassen.
Fast jeder Tauchgang überschreitet die Nullzeitgrenze und bedingt das Einhalten der Dekostops beim Aufstieg. Hierfür ist ein Seil vorgesehen, welches vom Bug auf 20 m bis zur Dekoplattform auf 5 m reicht. Diese wurde zu einem wahren Korallengarten ausgebaut, so dass das Absitzen der langen Dekostops nie langweilig wird.
Wer sich das Wrack noch ansehen möchte, sollte sich nicht allzu lange Zeit dazu lassen. Man schätzt, dass das Wrack noch etwa für weitere 20 Jahre betauchbar sein wird, bevor es dem Rost und den relativ häufigen Erdbeben in Vanuatu vollends zum Opfer fällt.
Der Platz in der tr reicht nicht aus, um all meine Eindrücke zu beschreiben, daher nur etwas ganz Spezielles, ein Nachttauchgang: Wir sprangen kurz nach Sonnenuntergang ins Wasser und schwammen ohne Licht zum Wrack, welches nur noch schemenhaft im Halbdunkel zu erkennen war. In der grossen Ladebucht war es schon stockfinster und man suchte sich ein Plätzchen zum Festhalten. Dann begann die Show: Abertausende von Laternenfischen schwammen um uns herum. Der Anblick dieses Schwarms grünlich leuchtender, blinkender Punkte war unglaublich faszinierend, ja fast hypnotisch. Ich vergass Raum und Zeit und glaubte durchs Weltall zu fliegen und den Sternen zuzuschauen. Doch der piepsende Tauchcomputer, der den ersten Dekostop ankündigte, holte mich wieder in die Realität zurück, dass ich mich auf 30 m Tiefe in einem im Zweiten Weltkrieg gesunkenen Wrack befand. Ein einzigartiges Erlebnis!
Million Dollar Point
Als die US-Truppen nach Ende des Zweiten Weltkrieges abziehen wollten, mussten sie ihr ganzes Inventar loswerden: Lastwagen, Jeeps, Kräne, Bulldozer, Container, Harrasse von Colaflaschen, u.v.m. Vieles davon war nagelneu und in einwandfreiem Zustand. Der Wert betrug mehrere Millionen Dollar. Der Rücktransport in die USA wäre zu teuer gewesen und man fürchtete, der heimische Markt würde zusammenbrechen. Also boten sie es der damals britisch-französischen Kolonialregierung zum Kauf an. Diese hatte zwar Interesse, konnte aber nicht bezahlen. Deshalb beluden die Amerikaner ihre Lastwagen mit all dem Material und fuhren diese über eine eigens dafür eingerichtete Rampe ins Meer.
Das Schrottfeld erstreckt sich in mehreren Schichten über einen Abhang bis auf eine Tiefe von 50 m. Später gesellten sich noch die Wracks zweier Schiffe hinzu, die bei Bergungsversuchen der Einheimischen untergegangen waren. Der Strand ist übersät mit verrosteten Motorblöcken, inmitten von angeschwemmten Scherben von Colaflaschen.
Jeder Tauchgang gleicht einer Entdeckungsreise in die Vergangenheit und für Fotografen bieten sich hier viele interessante Motive, wie die Natur sich den Müll der Menschheit wieder zurückerobert. «Rost in Peace», kann man dazu nur sagen.
Weitere Tauchplätze
In der näheren Umgebung von Luganville befinden sich noch ein paar weitere Wracks, die aber eher ein Schattendasein führen. Die Riffe sind schön mit Hart- und Weichkorallen bewachsen, teils aber leider von Korallenbleiche oder Stürmen beschädigt, und haben auffallend wenig Fische. Erwähnenswert ist der Tauchplatz «Fan Garden» mit Dutzenden von wunderschönen grossen Gorgonien. In den seichten Küstenabschnitten mit Seegras werden ab und zu auch weidende Dugongs gesichtet. Auf Espiritu Santo liegen noch einige 7 bis 10 m tiefe Blue Holes im Dschungel versteckt. Hier tritt kristallklares Süsswasser durch poröses Gestein. Sie laden als Abschlusstauchgang zum Entsalzen der Ausrüstung ein.
Tauchdestination Vanuatu
Der Inselstaat Vanuatu liegt etwa 2100 km nördlich von Neuseeland. Der Flughafen in Luganville auf der grössten Insel Espiritu Santo ist mittels Air Vanuatu direkt ab Brisbane oder via Port Vila von Sydney, Melbourne, Auckland oder Nadi (Fidschi) aus in 2½ bis 3½ Stunden erreichbar. In Luganville gibt es drei Tauchbasen: Allan Power Dive und Aquamarine Santo bieten Nitrox und Trimix an und betauchen das Wrack von Land aus. Santo Island Dive betaucht das Wrack vom Boot aus und bietet nur 15-Liter-Flaschen mit Druckluft an. Die nächstgelegene Druckkammer befindet sich in Port Vila.
Das Aore Island Resort ist sehr empfehlenswert. Unterkunft und Verpflegung sind erstklassig und der Strand mit korallenbewachsenem Hausriff vor dem eigenen Bungalow lädt zum Schnorcheln und Freitauchen ein.
Tauchbasen und Reiseanbieter
Quellen
- Michael McFadyen’s Scuba Diving Website, SS President Coolidge
- The Lady and the President, Peter Stone, Oceans Enterprises
- Cabinet Magazine, Million Dollar Point