Taucherohren
Sie sind nicht für Unterwasser gemacht
Die am häufigsten auftretenden tauchmedizinischen Vorfälle betreffen die Ohren. Ihnen gebührt darum besondere Aufmerksamkeit. Auch der Autor hat schon in so manchen Tauchferien nach wenigen Tagen nur noch den anderen beim Tauchen zugeschaut und sich deshalb näher mit dem Thema befasst.
Aufbau
Der Gehörgang ist im äusseren Abschnitt knorpelig, besitzt eine dickere Haut mit Härchen und zahlreichen Drüsen, welche das Ohrenschmalz absondern. Der innere Abschnitt ist knöchern und besitzt eine dünne Haut.
Das Trommelfell trennt den äusseren Gehörgang vom Mittelohr, welches aus der mit Luft gefüllten Paukenhöhle sowie deren Nebenräume besteht. In ihr liegen die Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss und Steigbügel), welche die Bewegungen des Trommelfells mechanisch auf das Innenohr übertragen.
Die Eustachische Röhre (auch Tube oder Ohrtrompete genannt) verbindet das Mittelohr mit dem oberen Rachenraum und dient der Regulierung des Luftdrucks sowie dem Abfluss von Sekret. Die Tube ist die meiste Zeit im Rachenraum durch zwei Lippen verschlossen, welche sich beim Schlucken und bei Kieferbewegungen durch kleine Muskeln mit einem Klicken öffnen und so für die Belüftung sorgen.
Das Innenohr ist vom Mittelohr durch eine knöcherne Wand getrennt, welche nur von zwei kleinen, mit Membranen abgedeckten Öffnungen unterbrochen ist. Im ovalen Fenster ist der Steigbügel eingefügt. Das runde Fenster dient dem Schwingungsausgleich der mit Flüssigkeit gefüllten Schnecke und liegt an deren anderen Ende. In der Schnecke werden die einzelnen Frequenzen des Schalls von Haarzellen in elektrische Signale umgewandelt und ans Gehirn weitergeleitet. Die drei Bogengänge sind entsprechend den drei Rotationsachsen nahezu rechtwinklig angeordnet und dienen dem Gleichgewichtssinn.
Barotrauma des Aussenohrs
Normalerweise ist der Gehörgang nicht anfällig für Barotraumen, da er sich beim Tauchen mit Wasser füllt. Liegen jedoch Veränderungen vor (Entzündungen, Exostosen), kann es beim Abtauchen zu Verletzungen des Gehörgangs oder des Trommelfells kommen. Der häufigste Grund ist jedoch eine zu eng anliegende Kopfhaube. Diese muss dann beim Abtauchen etwas angehoben werden, damit Wasser in den Gehörgang eindringen kann.
Barotrauma des Mittelohrs
Druck | Tiefe |
---|---|
1.00 bar | 0.0 m |
1.10 bar | 1.0 m |
1.21 bar | 2.1 m |
1.33 bar | 3.3 m |
1.46 bar | 4.6 m |
1.61 bar | 6.1 m |
1.77 bar | 7.7 m |
1.95 bar | 9.5 m |
2.14 bar | 11.4 m |
2.36 bar | 13.6 m |
2.59 bar | 15.9 m |
2.85 bar | 18.5 m |
3.14 bar | 21.4 m |
3.45 bar | 24.5 m |
3.80 bar | 28.0 m |
4.18 bar | 31.8 m |
4.59 bar | 35.9 m |
5.05 bar | 40.5 m |
5.56 bar | 45.6 m |
Am häufigsten treten Barotraumen des Mittelohrs bei einem plötzlichen Druckanstieg, also beim Abtauchen oder Sprung ins Wasser auf. Dies kann ohne aktiven Druckausgleich bereits bei zirka fünf Meter Wassertiefe geschehen.
Da das Mittelohr eine starre Höhle ist, kann bei geschlossener Tube während des Abtauchens eine Anpassung des Innendrucks nur durch eine Verkleinerung des Volumens erreicht werden (Boyle-Mariotte-Gesetz). Möglichkeiten dazu sind: Wölbung des Trommelfells nach innen, Absonderung von Gewebeflüssigkeit und Einblutung.
Das elastische Trommelfell kann das Volumen des Mittelohrs nur geringfügig verändern, etwa um drei bis zehn Prozent. Ein Druckunterschied von 20 Prozent zur Umgebung (zwei Meter Wassertiefe) wird bereits als unangenehmer Druck oder gar als Schmerz empfunden. In den obersten zehn Metern sind die relativen Druckunterschiede am grössten (siehe Tabelle), weshalb hier am häufigsten Barotraumen auftreten.
Übersteigt die Dehnung des Trommelfells ein gewisses Mass, so reisst es. Dies kann unter einem vorhergehenden stechenden Schmerz oder bei plötzlichem Druckanstieg auch unbemerkt passieren. Kaltes Wasser dringt ins Mittelohr, und durch den plötzlichen Temperaturunterschied wird das Gleichgewichtsorgan gereizt, was zu Schwindel und Übelkeit führen kann. Hat man nach dem Tauchen ständig das Gefühl, als ob Wasser im Ohr sei und zischt es beim Druckausgleich, so ist das Trommelfell perforiert. Das Hörvermögen ist danach vermindert.
Das Auftauchen ist in der Regel weniger problematisch, da oft schon ein leichter Überdruck genügt, um die Tube passiv zu öffnen – sofern sie nicht zum Beispiel aufgrund einer Erkältung verstopft ist.
Im günstigsten Fall heilt ein leichtes Barotrauma in einem Tag, allgemein in etwa zwei Wochen. Besteht eine Perforation, so kann diese bei unkompliziertem Verlauf in ein bis zwei Monaten heilen. In seltenen Fällen, bei stark verschmutztem Wasser, kann es zu einer Mittelohrentzündung kommen, und es ist der Einsatz von Antibiotika notwendig. In allen Fällen ist die Behandlung durch einen Facharzt erforderlich.
Barotrauma des Innenohrs
Beim Abtauchen treten Schädigungen fast ausschliesslich aufgrund eines fehlerhaften oder stark erschwerten Druckausgleichs auf. Wird zum Beispiel bei einer blockierten Tube ein Druckausgleich mittels Valsalva-Manöver erzwungen, kommt es zu einer Druckerhöhung in der das Gehirn und Rückenmark umgebenden Flüssigkeit, welche an das Innenohr weitergegeben wird. Im Mittelohr herrscht aufgrund der blockierten Tube ein Unterdruck. Kann das runde Fenster diesem Druck nicht mehr standhalten, platzt es nach aussen (explosives Barotrauma), und es tritt Flüssigkeit ins Mittelohr.
Ein implosives Barotrauma ist sehr selten und kann dann auftreten, wenn die Tube auf Seite des Mittelohrs durch einen Polypen verschlossen ist und darum beim Aufstieg kein Druckausgleich gemacht werden kann.
Plötzliche Druckwechsel können über den Steigbügel übertragen werden, wodurch dieser ins ovale Fenster gedrückt wird. Der Druck pflanzt sich über die Flüssigkeit in der Schnecke fort, wodurch das runde Fenster reissen kann.
Symptome eines Innenohr-Barotraumas sind Schwindel, Übelkeit, akuter Hörverlust oder Ohrgeräusche (Tinnitus). Eine fachärztliche Behandlung ist hier unumgänglich. Bleiben Innenohrstörungen zurück, muss vom Tauchen abgeraten werden, da ein vorgeschädigtes Innenohr anfälliger ist.
Techniken für den Druckausgleich
Ein Druckausgleich muss bei jedem Tiefenwechsel erfolgen, und zwar frühzeitig, noch bevor sich ein unangenehmes Druckgefühl in den Ohren aufbauen kann, sonst wird er schwierig bis unmöglich. Hierfür gibt es verschiedene geeignete Methoden:
Valsalva: Bei geschlossenem Mund und Nase wird ausgeatmet. Nachteilig hier ist, dass der Druckaufbau im Mittelohr zu heftig ist und der erhöhte Pressdruck in den Lungen Auswirkungen auf den Kreislauf hat. Zu heftig ausgeführt, kann ein Innenohr-Barotrauma entstehen. Bei Tauchern mit einem PFO (Verbindung zwischen den Herzvorhöfen) können Mikrobläschen vom venösen in den arteriellen Kreislauf gelangen, anstatt über die Lunge abgeatmet zu werden und das Risiko einer Dekompressionskrankheit erhöhen.
Frenzel: Mund und Nase werden verschlossen. Die Stimmbänder werden verriegelt, als ob man ein schweres Gewicht heben möchte. Die Zungen- und Gaumenbogenmuskulatur wird nach oben bewegt, als ob man ein «K» sprechen will. Der Adamsapfel bewegt sich dabei nach oben. Das Volumen der Mund- und Rachenhöhle wird dadurch verkleinert und so Druck aufgebaut. Es wird kein Druck in der Lunge aufgebaut. Diese Methode kann sogar in komplett ausgeatmetem Zustand durchgeführt werden.
Delonca: Die Tuben werden willentlich offen gehalten. Diese Methode ist die schonendste und für Taucher am besten geeignet. Im Gegensatz zur ersten Methode sind keine Nachteile zu erwarten, aber bei verstopften Tuben, oder wenn der Druckunterschied zu gross ist, funktioniert sie nicht immer. Der Vorgang gleicht etwa dem Beginn des Gähnens, wenn die Zunge nach hinten gedrückt wird. Sind die Tuben offen, hört man die Resonanz der eigenen Atemgeräusche und Stimme in den Ohren. Wer diese Technik beherrscht, kann so die Tuben bei jedem Tiefenwechsel offen halten, so dass der Druck im Mittelohr kontinuierlich ausgeglichen wird.
Toynbee: Bei geschlossenem Mund und Nase wird geschluckt. Beim Tauchen kann diese Methode beim Aufstieg angewandt werden.
Wer beim Kopfüber-Abstieg Schwierigkeiten mit dem Druckausgleich hat, soll es einmal langsam in aufrechter Position mit gestrecktem Hals versuchen. Bei Problemen generell wieder in Richtung vorherige Tiefe wechseln und erneut versuchen. Klappt es wiederholt nicht, den Tauchgang abbrechen. Das ist keine Schande und passiert auch den erfahrensten Tauchern.
Gehörgangsentzündungen
Das schützende Ohrenschmalz löst sich nach wenigen Tauchgängen auf und macht die dünne Haut im Gehörgang anfällig auf Plankton und Salzkristalle. Oft ist in der Nähe von Siedlungen auch das Wasser mit Fäkalien verschmutzt. Ständig feuchte Ohren sowie feuchtwarmes tropisches Klima begünstigen das Wachstum von Bakterien und Pilzen.
Erste Symptome sind Juckreiz im Gehörgang, welcher sich zu unangenehmen Schmerzen steigern kann. Diese verstärken sich bei Kinnbewegungen, Druck auf die Gehörgangsöffnung oder Zug an der Ohrmuschel. Gelegentlich treten auch Schwindelerscheinungen auf.
Wer häufig in kaltem Wasser schwimmen geht, kann unter knöchernen Wucherungen (Exostosen, Schwimmerohren) im Gehörgang leiden. Diese werden durch Kaltwasserreiz und daraus resultierende Entzündungen der unter der dünnen Haut liegenden Knochenhaut hervorgerufen. Diese Wucherungen behindern das Abfliessen von Wasser, was Gehörgangsentzündungen begünstigt. Je nach Veranlagung kann der Gehörgang regelrecht zuwachsen und die Wucherungen müssen operativ entfernt werden.
Vorbeugung
Tauchertropfen
Lehrbuch von Ehm:
- Ac. Acet. Glac. 5.0
- Aqua dest. 10.0
- Isopropylalkohol (95%) 85.0
oder auch: Ac. Acetic. 2.0 - Alumin. Acetic 2% ad 20.0
Nach Taucher- und HNO-Arzt Böhm:
- Borsäure 0.66
- Glycerol 6.6
- Ethanol 90% ad 20.0
Mischung nach Branse-Passek und Muth:
- Acid Acet glac mind 99 0.5
- Aqua purif 2.5
- Alcohol Isopropylicus ad 50
Rezept der amerikanischen Sporttaucher:
- Rp. Acidum boricum 2.75
- Ethanol 63% ad 100 ml
Rezept der amerikanischen NAVY:
- Rp. Acidum aceticum 0.2
- Aluminum aceticum 1.0
- Aqua bidestillate ad 100.0
Manche Taucher haben nie Ohrenprobleme, bei anderen reicht schon die Klimaanlage im Flugzeug bis sie am Reiseziel angekommen sind. Oft aber kann zu häufiges Herumdoktern genau das Gegenteil bewirken. Hier einige vorbeugende Tipps:
- Gehörgang nicht mit Wattestäbchen putzen. Es entstehen mikroskopisch kleine Verletzungen, durch welche Krankheitskeime eindringen können.
- Beim Tauchen eine Kopfhaube tragen. Die Ohren kühlen weniger aus, und es gelangt weniger Wasser und somit weniger Plankton in den Gehörgang.
- Nach dem Tauchgang Ohren mit Trinkwasser direkt aus der Flasche reinigen, um Plankton und Salzkristalle auszuspülen. In südlichen Ländern ist das Leitungswasser oft kontaminiert.
- Ohren nach dem Tauchgang trocknen.
- Ein Stirnband oder eine Mütze schützt die Ohren vor Wind und Auskühlung – besonders auf einem Schiff.
- Klimaanlagen wenn möglich abschalten. Oft sind sie mit Bakterien und Pilzen belastet und verteilen diese in der Luft. Kalte und trockene Luft trocknet die Schleimhäute zusätzlich aus.
- Tauchertropfen gibt es in verschiedenen Mixturen (siehe Kasten). Welche für einen am geeignetsten sind, mit dem Facharzt abklären. Besser nicht nach jedem Tauchgang anwenden, sondern nur einmal – abends – ein paar Tropfen davon in jedes Ohr. Sie sollten nicht die ganze Zeit im Ohr bleiben, sondern nur kurz einwirken. Allzu häufige Anwendung strapaziert die Ohren mehr und trocknet sie aus.
- Zum Rückfetten des Gehörgangs kann Babyöl, Oliven- oder Mandelöl verwendet werden. Dieses aber nicht aus der Schiffskombüse nehmen, sondern keimfreies aus der Apotheke.
- Spezielle Ohrstöpsel für Taucher, z.B. Doc’s Proplugs. Sie dichten die ganze Ohrmuschel ab, besitzen aber eine kleine Bohrung, durch welche Wasser eindringen kann. Dieses bleibt drin und erwärmt sich. Die Ohren kühlen dadurch nicht so stark aus und es gelangt weniger Plankton ins Ohr. Wem die ab Stange nicht passen, kann sich bei einem Hörgerätespezialisten massgefertigte Otoplastiken anfertigen lassen. Wasserdichte Ohrstöpsel für Schwimmer oder Surfer sowie solche aus Watte oder Schaumstoff dürfen nicht zum Tauchen verwendet werden.
- Die Tauchmaske Pro Ear besitzt Ohrmuscheln, welche die Ohren trocken halten. Über einen kleinen Faltenschlauch zur Maske erfolgt der Druckausgleich. Für kühlere Gewässer gibt es dazu eine passende Kopfhaube mit Aussparungen an den Ohren.
Behandlung
Sind die Ohren erst einmal entzündet, dürfen keine Tauchertropfen verwendet werden, sondern entzündungshemmende Ohrentropfen mit Antibiotika und Schmerzmittel. Vor der Anwendung ist ein Loch im Trommelfell auszuschliessen, da viele Ohrentropfen ototoxisch sind und so das Innenohr geschädigt werden kann. Entzündungshemmende Schmerzmittel zur oralen Anwendung helfen auch.
Es soll eine Tauchpause eingelegt werden, solange die Ohren nach Absetzen der Medikamente noch schmerzen. Mindestens drei Tage. Bei sehr starken, länger anhaltenden Schmerzen sollte ein HNO-Arzt aufgesucht werden, der feststellen kann, ob es sich um eine bakterielle Infektion oder um einen Pilzbefall handelt. Er wird die entsprechenden Medikamente verschreiben.
Literatur
- Ch. Klingmann, K. Tetzlaff: «Moderne Tauchmedizin – Handbuch für Tauch- lehrer, Taucher und Ärzte», 2. vollständig überarbeitete Ausgabe, Gentner Verlag, ISBN 978-3-87247-744-6
- «Ehm – Tauchen noch sicherer: Tauchmedizin für Freizeittaucher, Berufstaucher und Ärzte». 11. überarbeitete und erweiterte Neuau age, Pietsch Verlag, ISBN 978-3- 613-50675-6