Tarifa/Spanien, April 2009
Stiftung firmm
Die Stiftung firmm (Foundation for Information and Research for Marine Mammals) wurde 1998 von Katarina Heyer ins Leben gerufen und setzt sich für die Informierung, Forschung und den Schutz der Meeressäuger in der Strasse von Gibraltar ein. Sie hat ihren Sitz in der Schweiz, Tarifa (Spanien) und Tanger (Marokko).
In der Meerenge sind das ganze Jahr hindurch folgende Arten anzutreffen: Gemeine Delfine, Gestreifte Delfine, Grosse Tümmler und Grindwale. Von April bis Juni kommen auch Pottwale zu Besuch und im Juli/August sogar Orcas. Mit etwas Glück begegnet man auch Finnwalen, wie sie zwischen Atlantik und Mittelmeer hin- und her pendeln.
firmm bietet von April bis Oktober in Tarifa Walbeobachtungskurse an. Diese beinhalten von Montag bis Freitag täglich ein bis zwei Bootsfahrten von zwei Stunden Dauer, begleitet von einem Meeresbiologen. Kindgerechte Vorträge informieren über Meeressäuger und das maritime Leben in der Strasse von Gibraltar. Auch einzelne Ausfahrten werden angeboten. Sollten aufgrund des Wetters Ausfahrten nicht möglich sein, gibt es interessante Ausflüge mit dem Meeresbiologen als Alternative.
Auf der anderen Seite der Strasse von Gibraltar, in Marokko, ist das "Dolphin Resort Ras Laflouka" am entstehen. Dort werden in einer abgesperrten Bucht Delfine aus Gefangenschaft aufgenommen. Verletzte wilde Tiere können in einem Rescue Center gesund gepflegt werden. Für Touristen wird es ein Hotel und Restaurant geben. In einem kleinen Teil der Bucht wird man mit den Tieren schwimmen und tauchen dürfen. Den Tieren wird dabei ihren freien Willen gelassen, ob sie mit den Menschen interagieren wollen oder nicht. Vom Resort aus werden auch Ausfahrten aufs Meer unternommen.
Mehr Infos unter:
www.firmm.org
www.dolphinresort.org
Riesige Frachtschiffe passieren mit hoher Geschwindigkeit das Nadelöhr zwischen Europa und Afrika. Etwa alle zehn Minuten folgt aus jeder Richtung ein neuer Ozeanriese: Öl aus Saudi-Arabien, Elektronik aus China, Orangen aus Israel. Eine Verkehrsdichte, welche in den Weltmeeren seinesgleichen sucht. Ausgerechnet hier sollen so viele Arten von Walen und Delfinen leben?
Malaga: das Flugzeug setzt auf der Landepiste auf. Wir fahren mit dem Mietauto auf der A-7 nach Westen gen Cádiz, vorbei an Marbella und dem Affenfelsen von Gibraltar. Nach knapp zwei Stunden erreichen wir die Windräder: Tarifa, die Stadt des Windes, liegt vor uns. Sie schmiegt sich um die Landzunge mit dem vorgelagerten Inselchen. Hinter der tiefblauen Strasse von Gibraltar erhebt sich der Mosesberg aus dem Dunst. Nur 14 km sind es von hier bis nach Afrika.
Die Hauptstrasse führt durch das kleine Städtchen Richtung Hafen hinunter. Ein Strassenschild mit arabischen Schriftzeichen kündigt das nahe Marokko an. Der kleine Hafen wird von einem riesigen, futuristisch aussehenden, rot-weissen Katamaran dominiert. Die Schnellfähre der FRS. Auf dem Rumpf steht: "Tarifa 35 min Tanger".
Das Hauptbüro der firmm liegt mitten im Herzen der Altstadt, gleich hinter dem Restaurant Central. An der Theke begrüsst uns Nina Cziczek, die gute Fee der Administration. Katharina Heyer kommt aus dem kleinen Büro gleich dahinter. Sie ist gerade von einer Ausfahrt zurück gekommen und übergibt uns den Schlüssel für ein kleines Appartement. Dann klingelt auch schon wieder ihr Telefon. Aha, Französisch! Scheint, als ob es bald wieder Neuigkeiten über das geplante Dolphin Resort in Marokko geben wird. Die zähen Verhandlungen mit der marokkanischen Regierung ziehen sich über Jahre hinweg. Pläne, Gutachten, Grundstücke und Sponsoren – all das hat sie schon lange. Der Spatenstich könnte jeden Moment erfolgen. Auch damals schon in Tarifa hatte sie als ehemalige erfolgreiche Schweizer Modedesignerin es schwer, sich unter den alteingesessenen andalusischen Fischern zu behaupten, Fuss zu fassen, ein Whale Watching Unternehmen hochzuziehen und sich für Forschung, Umweltschutz und Aufklärung einzusetzen. Dies benötigt einen starken Willen und viel Geduld, aber sie gibt nicht auf.
Enge Gässchen schlängeln sich durch die verwinkelte, schmucke Altstadt Tarifas, vorbei an kleinen bunten Läden mit allerlei nützlichen und unnützen Dingen. Restaurantküchen verströmen Gerüche, die Gelüste nach allerlei spanischen Köstlichkeiten wecken. Zahlreiche Bars versprechen ein reges Nachtleben. Marokkanische Einflüsse auf die Architektur prägen das Stadtbild. Einige Häuser sind liebevoll gepflegt, andere teils schon verfallen. Die Stadt lebt. Das ehemalige Fischer-Städtchen ist zwar touristisch geprägt, wird aber hauptsächlich von Spaniern besucht und wirkt dadurch authentisch. Kein Vergleich mit den künstlichen Touristensiedlungen mit Bratwurst-Ständen und Hotelburgen, wie man sie sonst von der Küste Spaniens kennt. Ausserhalb der ehemaligen Stadtmauern liegen die neuen Quartiere mit vielen Mode- und Sportgeschäften für Kite- und Windsurfer.
Am südlichsten Punkt Europas, dem "Punta de Tarifa" stehen einem zwei Strände zur Auswahl: links eine kleine Bucht zum Mittelmeer, rechts der lange Sandstrand am Atlantik. Auf der kleinen vorgelagerten Insel befindet sich eine militärische Befestigungsanlage. Tarifa war in den letzten beiden Weltkriegen ein strategisch wichtiger Punkt. Leider darf man sie nicht besichtigen, denn die Insel wird heute als Auffanglager für marokkanische Flüchtlinge verwendet. Aber rund um die Insel darf getaucht werden. Es gibt einige Wracks auf einer Maximaltiefe von 32 Metern. Die Tauchbasis Buceo Scorpora liegt im Hafen gleich neben dem Hafenbüro von firmm.
Der 10 km lange Sandstrand lädt zum barfuss spazieren ein. Der Wind bläst über den Sand und verpasst einem ein Gratis-Peeling. Es ist Ende April und das Wasser noch zu kalt zum Baden. Auch im Hochsommer wird das Wasser selten wärmer als 20°. Der Strand wurde aber schon von Kite-Surfern in Beschlag genommen, denn Tarifa ist als Surfer-Mekka bekannt. Aus ganz Europa kommen sie hierher. Wir schauen zu, wie sie mit ihren Brettern über die Wellen springen und im Flug Kunststücke vollführen. Ob schon mal einer emporgehoben und bis nach Afrika mitgetragen wurde?
Hinter den Kite-Surfern, etwas weiter draussen im Meer, erkennen wir einige Fischerboote und eine lange Kette von Schwimmkörpern, die auf ein grosses Netz darunter schliessen lassen. Dies ist die Almadraba, ein riesiges Labyrinth an Netzen, welches jedes Frühjahr an der Atlantikküste angelegt wird. In der Zeit schwimmen Schwärme von Thunfischen an der Küste entlang ins Mittelmeer, um dort zu laichen. Die Fischereirechte wurden von den Japanern gekauft und sie beanspruchen 80% und mehr des gefangenen Thunfisches für sich. Ihre eigenen Meere sind ja schon leergefischt. Der Thunfisch wird gleich vor Ort in einem Fabrikschiff verarbeitet und tiefgefroren. Das Fleisch von trächtigen Tieren soll angeblich zarter für Sushi sein. Die Eier dienen zur Dekoration. Diese Fangmethode hat katastrophale Auswirkungen auf die Population, da die Tiere gefangen werden, bevor sie sich vermehren können. Aufzeichnungen zeigen, dass die Menge gefangenen Thunfisches über die Jahre hinweg unaufhörlich abnimmt. Auch gehen immer kleinere und jüngere Tiere ins Netz. Die grösseren werden immer seltener. Früher waren Thunfische von 300 kg keine Seltenheit. Man schätzt, dass in wenigen Jahren die ganze Thunfisch-Population ausgerottet sein wird.
Die wenigen Thunfische, welche dem Labyrinth der Almadraba entkommen sind und laichen können, verlassen das Mittelmeer im Juli/August, wo sie dann von den Marokkanern und Spaniern mit langen Leinen gefischt werden. Die Leine wird mit Köder am Haken versehen und mit einem Gewicht beschwert über Bord geworfen. Beisst ein Thunfisch an, wird er teils mit Winde, teils in schwerster Handarbeit aus 200m Tiefe nach oben gezogen. Diese Fangmethode hat keinen Einfluss auf die Population. Aber auch hier werden immer weniger Tiere gefangen. Viele Fischer kommen in der nur wenige Wochen andauernde Fangsaison fast jeden Tag mit leeren Händen nach Tarifa zurück. Im Jahr 2000 bissen noch über 300 Thunfische an.
Orcas haben vor einigen Jahrzehnten Wind von dieser jährlichen Veranstaltung gekriegt und kommen Juli/August extra in die Strasse von Gibraltar. Auch unter ihnen gilt Thunfisch-Sushi als eine Delikatesse. Normalerweise haben Orcas aber kaum eine Chance an den leckeren Thunfisch zu kommen, denn sie sind langsamer und können nur 30m tief tauchen und 15 Minuten lang den Atem anhalten. Deshalb warten sie, bis die Fischer für sie die ganze Arbeit machen, die Thunfische an der Leine müde geworden sind und nach oben gezogen werden, um sie dann von der Leine wegzufressen. Den Fischern bleibt bei diesem Wettrennen oft nur der Kopf übrig, denn die Orcas sind schlau genug, um zu wissen, dass sich dort der Haken befindet. Ein faszinierendes Spektakel, das es leider nicht mehr lange geben wird.
Montagmorgen. Die erste Ausfahrt. Der orange Sonnenball hängt über dem Mittelmeer. Ein leichter Poniente bläst aus Richtung Atlantik. Es ist frisch. Die firmm Spirit brettert über die Wellen in Richtung marokkanische Küste. Gischt schlägt gegen die Fenster. Einige Passagiere hangeln sich klitschnass vom Bug nach hinten ins Trockene. Jörn Selling, der Meeresbiologe, steht oben auf dem Ausguck und beobachtet konzentriert die Schaumkronen auf dem Meer, während er sein Müsli isst. Ob er vielleicht heute den Blas eines Finnwals sichtet? Diese Tiere leben nicht in der Strasse selbst, sondern ziehen meist auf der spanischen Seite vom Mittelmeer in den Atlantik. Sie können bis zu 50 km/h schnell schwimmen und brauchen für die Passage gerade mal eine Stunde. Da braucht es viel Glück!
Das Boot bremst ab. Die Hälse der Passagiere recken sich. Blicke schweifen suchend übers Wasser. Sind hier schon Wale? Nein. Von links her kommt mit hohem Tempo ein riesiger Kontainerfrachter. Der grössere hat Vorfahrt. Wie bunte Lego-Klötzchen wirken die gestapelten Frachtkontainer, doch jeder ist so gross wie ein Lastwagen. Ein imposanter Anblick. Ich richte mein Tele auf die Bugwelle. Schade, auf der reiten diesmal keine Delfine. Die Fahrt geht weiter.
Da, eine Flosse ragt aus dem Wasser! Ist es ein Delfin, Grindwal oder gar ein Hai? Sie bleibt an Ort und Stelle und pendelt nur hin und her. Beim näherkommen erscheint durch die Wasseroberfläche ein eigenartiger Fisch mit einem diskusförmigen Körper. Es ist ein grosser Mola Mola (Mondfisch).
Durchs Mikrophon ertönt Jörns Stimme: "Pottwal auf zwei Uhr". Alle auf dem Boot stürmen nach Steuerbord. In einigen hundert Metern Entfernung ist die Fluke eines abtauchenden Pottwals zu erkennen. Zu weit weg für ein gutes Foto. Er bringt sich vor einem herannahenden Frachter in Sicherheit. Der Pottwal hat sich an der Oberfläche ausgeruht und Sauerstoff für den nächsten Tauchgang getankt. Diese Tiere können über eine Stunde tauchen und in Tiefen von 2000m und mehr vordringen. Dort jagen sie nach riesigen Tintenfischen. Wie sie das genau tun, ist noch unbekannt.
Dieser Pottwal hat Glück gehabt und konnte früh genug abtauchen. Immer wieder liest man aber von Tieren, welche von der Bugnase eines herannahenden Frachtschiffes regelrecht aufgespiesst wurden. Die Besatzung merkt davon meist nichts, so gross sind die Schiffe. Der Kadaver des qualvoll verendeten Tieres wird oft erst Tage oder Wochen später im Hafen entdeckt. Viele werden erst gar nicht gemeldet. Ein Tempolimit von 13 Knoten für die Strasse von Gibraltar, welches 2007 vom spanischen Umweltministerium aufgrund der Arbeit von firmm beschlossen wurde, soll den Tieren Zeit zum ausweichen geben. Leider ist dies nur eine Empfehlung und kein Gesetz. Es hält sich kaum einer daran und gebüsst wird auch nicht. Zeit ist Geld.
In einiger Entfernung entdeckt Jörn eine Gruppe Grindwale und gibt dem Steuermann Diego Diaz Piñero Richtungsangaben. In den 12 Jahren in denen firmm hier Forschung und Whale Watching betreibt, hat das Team mittels GPS und Gezeitentabellen herausgefunden, wann und wo sich die Grindwale aufhalten. Die Erfolgsquote für Sichtungen bei Ausfahrten beträgt mittlerweile 98%. Früher wussten nicht einmal einheimische Fischer, welche und wie viele Wal- und Delfinarten hier leben.
Das Boot bremst ab, fährt längsseits zum Kurs der Tiere und hält etwas Abstand, um sie nicht zu stören. Meistens kommen die Tiere dann aus freiem Willen ans Boot. Dies nennt sich "Respectful Whale Watching". Weniger seriöse Unternehmen fahren mit ihren Booten oft mitten in die Gruppe oder schneiden ihnen den Weg ab. Dadurch werden die Tiere gestört, vertrieben oder gar verletzt. Jörn versucht die Grindwale zu zählen, hält die Position mit GPS fest und notiert Kurs und Verhalten der Tiere. Anhand der Rückenfinne und markanten Einkerbungen lassen sich einzelne Tiere identifizieren.
Nach wenigen Minuten lösen sich einige Grindwale aus der Gruppe und steuern auf das Boot zu. Der Steuermann kuppelt vorsorglich den Motor aus. Die Grindwale durchpflügen die Wellen mit ihren schwarz glänzenden, runden Köpfen. Man hört das Prusten und Schnauben, wenn sie Luft holen.
Da ist eine Grindwal-Mutter, welche ihr Neugeborenes begleitet. Noch ganz klein, grau und verschrumpelt hopst es unbeholfen aus dem Wasser, um einen hastigen Atemzug Luft zu schnappen. Es weicht seiner Mama nicht von der Seite. Sie scheint das Boot zu kennen und zu wissen, dass hier keine Gefahr droht, sonst würde sie nicht mit ihrem wenige Stunden alten Jungen so nahe heran kommen. Man wird das Gefühl nicht los, sie würde wie jede junge Mutter, stolz ihr Baby zeigen wollen.
In einem ruhigen Moment auf dem Boot hört man sogar die Grindwale unter Wasser quietschen. Einige sind fast zum Greifen nah. Anfassen ist nicht erlaubt. Ein jüngeres Tier stellt sich senkrecht und schaut mit dem Kopf aus dem Wasser, um sich die seltsamen, rosa Nacktaffen genauer anzusehen. Wir sind für sie offenbar genauso interessant, wie sie für uns. Ein anderer Grindwal rollt sich auf den Rücken und zeigt uns seinen hellen Bauch. Ob dieses Verhalten auch Vertrauen bedeutet, wie wir es von Hunden und Katzen kennen?
Via Lautsprecher verkündet Jörn, dass sich in der Gruppe ein verletzter Grindwal befände, den er ein paar Wochen zuvor auf den Namen "Curro" getauft habe. Tatsächlich, eine grosse Wunde klafft an der Rückenfinne und das Tier schwimmt sichtlich langsamer. Vermutlich ist dies das Werk eines Sportfischers. Diese werfen oft ihre Leinen mit Haken aus und fahren dann mitten durch eine Gruppe Grindwale, im Irrglauben, dass sich unter denen grosse Fische befänden, auf die sie Jagd machen würden. Dabei reisst oft so ein Haken ein Stück aus der Rückenfinne eines Grindwals. Ein Blick ins Lexikon und jeder Laie weiss, dass sich Grindwale vorwiegend von Tintenfischen ernähren.
Während alle an Bord in Richtung Grindwale blicken, bemerke ich den Frachter, welcher auf der anderen Seite vorbei fährt und eine grosse Bugwelle vor sich her schiebt. Zwei Tümmler reiten auf dieser, springen vergnügt hoch in die Luft und schlagen gar Purzelbäume in voller Fahrt. Ein Matrose steht vorne am Bug, beobachtet das Schauspiel und klatscht bei jedem Sprung in die Hände.
Zu schnell ist leider die Zeit vorüber und wir fahren zurück nach Tarifa, wo am Pier schon die Nächsten auf die Ankunft des Bootes wartet: Eine Gruppe Meeresbiologie-Studenten der Universität Basel, begleitet von Prof. David Senn, Mitbegründer von firmm.
Über Nacht hat sich der Poniente gelegt. Es ist windstill und die See ist spiegelglatt. Das ist selten in der Strasse von Gibraltar. Heute führt uns Katharina zu den Grindwalen, doch die scheinen sich nicht für uns zu interessieren und nutzen die ruhige See, um sich auszuruhen. Aus der Ferne sehen sie ein Bisschen aus wie ein Haufen schwarzer Autopneus, die auf dem Wasser treiben. Wir lassen sie in Ruhe und fahren weiter.
Die grossen Tümmler sind nicht weit. Eine Gruppe stösst zu uns und beginnt mit der Show: Ein paar schwimmen unter dem Bug mit. Die Kinder haben einen Heidenspass die Tiere so nahe zu sehen. Sie drängeln sich dicht an dicht vorne am Bug. Durch das spiegelglatte, klare Wasser scheint alles wie in einem Aquarium. Die Tümmler drehen sich immer wieder zur Seite, um uns in die Augen schauen zu können. Sie wechseln von links nach rechts und scheinen sich ebenfalls um die besten Plätze zu drängeln. Einer schwimmt etwas voraus, winkt mit seiner Fluke und klatscht aufs Wasser, um uns nass zu spritzen. Ein zweiter tut es ihm nach. Die Kinder lachen und kreischen vor Freude. Je lauter sie das tun, desto mehr spornen sie die Tümmler an. Ein Weibchen schwimmt auf der Seite, dreht sich auf den Rücken und zeigt uns immer wieder ihren dicken Bauch. Sie muss demnächst Nachwuchs erwarten. Andere Tümmler sieht man durch das ruhige Wasser Anlauf zu einem Sprung holen. Einer klatscht absichtlich mit der Seite auf die Wasseroberfläche und spritzt die Passagiere an Deck vollkommen nass. Ein faszinierendes Schauspiel wildlebender Tiere. Viele kennen so etwas leider nur aus Delfinarien, in denen hungernde Tiere in einem kleinen Becken mit Chlorwasser herum schwimmen und Kunststücke vollführen müssen, um mit einemn Stück toten Fisch belohnt zu werden.
Ich wünsche mir Neopren-Anzug, Maske und Flossen herbei, um ins Wasser springen zu können, doch leider ist das hier viel zu gefährlich. Es gibt starke Strömungen in der Strasse von Gibraltar und der Schiffsverkehr gleicht dem auf einer Autobahn.
So und ähnlich spielt sich fast jede der zwei täglichen Ausfahrten in der Woche ab. Einmal kreuzt auf dem Rückweg eine gemischte Gruppe gestreifter und gemeiner Delfine unseren Weg und begleitet uns ein Stück. Meist halten die sich eher in der Nähe der Bucht von Algeciras auf. Diese Delfinarten sind kleiner und ungemein schneller und wendiger als ihre grösseren Verwandten, die Tümmler. Sie springen mal links, mal rechts, mal hinten mal vorne aus dem Wasser, so schnell, dass man kaum mit Schauen nachkommt, geschweige denn mit der Spiegelreflex-Kamera. Oft sehe ich sie nur aus den Augenwinkeln, aber nicht im Sucher. Ein Tier scharf im Sprung abzulichten ist reine Glückssache.
Am letzten Tag bläst der Levante so stark und peitscht die See zu hohen Wellen, dass sich nicht einmal die Fischer aufs Meer wagen. Als Ersatzprogramm gibt es frühmorgens während der Ebbe eine Wanderung mit dem Meeresbiologen an der Felsküste in der Gezeitenzone. Für den Nachmittag hat sich Prof. David Senn spontan bereit erklärt, einen interessanten Vortrag über sein Spezialgebiet die Planktonforschung zu halten. Er berichtet auch über seine Erlebnisse, wie sie 2006/7 mit dem Solarboot Sun 21 den Atlantik überquerten.
Eine aufregende Woche mit einer reichen Ausbeute an Fotos neigt sich schon wieder dem Ende. Schon zum fünften mal bin ich hier, aber immer noch nicht zum Tauchen gekommen. Das nächste mal aber bestimmt.